Elf neue “Stolpersteine” werden in Bottrop gesetzt

Zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus wird der Kölner Künstler Gunter Demnig am 5. Dezember wieder “Stolpersteine” in Bottrop setzen. Sein Kunstprojekt „Stolpersteine“ ist inzwischen über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Es handelt sich um 10 x 10 x 10 cm große Betonsteine mit einer verankerten Messingplatte, die im Gehweg vor dem ehemaligen Wohnort plan verlegt werden. Auf der darauf verankerten Messingplatte sind neben den Worten „Hier wohnte“ kurze Informationen über das jeweilige persönliche Schicksal zu lesen.

„Es ist ein Projekt, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig erhält“, so formuliert Gunter Demnig selbst den Sinn seines Projektes. Er hat inzwischen in ganz Deutschland und darüber hinaus an über 600 Orten „Stolpersteine“ verlegt. Insgesamt sind es über 28.000. In Bottrop ist Gunter Demnig bereits zum sechsten Mal aktiv.

Er wird am 5. Dezember um ca. 13.30 Uhr mit der Setzung der „Stolpersteine“ für Chaim, Tauba, Bernhard und Samuel Brenner, Altmarkt 5, beginnen. Hier findet in Anwesenheit von Monika Budke, Bürgermeisterin und Kulturausschuss-Vorsitzende, eine kleine Gedenkfeier statt, zu der alle Interessierten eingeladen sind. Für die musikalische Umrahmung sorgt Paul Döing.

Weiter geht es mit der Stolpersteinsetzung für Jakob Skurnik (Horster Str. 22) und danach mit der für Karl-Heinz Hellmut Schönlank (Prosperstr. 3). Im Anschluss daran folgen die Gedenksteine für David, Sara, Dora und Wilhelm Max Elias (Bergstr. 14) und abschließend der für Friedrica Vyth (Stenkhoffstr. 119).

Über das Leben und Schicksal der Bottroperinnen und Bottroper, an die ab nächste Woche mit einem „Stolperstein“ erinnert werden soll, ist leider nicht viel bekannt. Stadtarchivarin Heike Biskup hat folgende Informationen zusammentragen können:

Gunter Demnig beim Setzen der Stolpersteine für die Bottroper Familie Preker am 31.10.2009. Foto: Stadt Bottrop
Gunter Demnig beim Setzen der Stolpersteine für die Bottroper Familie Preker am 31.10.2009. Foto: Stadt Bottrop

Altmarkt 5 (vier Stolpersteine für die Familie Brenner)

Chaim Szmul Brenner
(Patenschaft für den Stolperstein: SPD Bottrop)
Chaim Szmul Brenner wurde am 19. Januar 1897 in Tomaszow/ Polen geboren. Von Beruf war er Zechenanstreicher.
Er lebte seit 1918 in Deutschland und war seit 1922 mit seiner Familie in Bottrop wohnhaft, zuletzt (ab 1931) Altmarkt (damals „Platz der SA“) 5.
Im Zuge der Abschiebung polnischer Juden am 28.10.1938 wurde er mit seiner Familie nach Polen ausgewiesen. Er war bis zum Sommer 1939 im Internierungslager Bentschen (Zbaszyn) inhaftiert und wurde dann in das Ghetto Litzmannstadt/ Lodz deportiert. Von dort aus kam er in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz und von dort am 1. September 1944 in das Konzentrationslager Dachau.
Am 23. Dezember 1944 wurde Chaim Szmul Brenner im KZ Dachau ermordet.

Tauba Brenner geb. Feigeles
(Patenschaft für den Stolperstein: KAB, Stadtverband Bottrop)
Tauba Brenner geb. Feigeles wurde am 6. Februar 1899 in Tomaszow/ Polen geboren.
Sie war die Ehefrau von Chaim Szmul Brenner (s. o.)
Nach der Ausweisung der Familie nach Polen am 28.10.1938 kam sie am 30.6.1939 - vermutlich zur Regelung privater Angelegenheiten - für einige Zeit zurück nach Bottrop. Am 4.8.1939 verließ sie Bottrop wieder mit dem Ziel Lodz. Sie ist – vermutlich im dortigen Ghetto Litzmannstadt/Lodz – verschollen.

Bernhard Brenner
(Patenschaft für den Stolperstein: CDU Bottrop, Ortsverband Stadtwald)
Bernhard Brenner wurde am 10. November 1921 in Kattowitz/ Polen als Sohn von Tauba und Chaim Szmul Brenner (s. o.) geboren.
Er wohnte bei seinen Eltern, zuletzt Altmarkt (damals „Platz der SA“) 5.
Bernhard Brenner ist mit seiner Familie im Zuge der Abschiebung polnischer Juden am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen worden. Er war bis zum Sommer 1939 im Internierungslager Bentschen (Zbaszyn) inhaftiert und wurde dann in das Ghetto Litzmannstadt/ Lodz deportiert. Dort ist er am 28. Mai 1943 umgekommen.

Samuel Brenner
(Patenschaft für den Stolperstein: Eheleute Marion und Theo Kusenberg)
Samuel Brenner wurde am 24. Februar 1923 in Bottrop geboren. Er war der Sohn von Tauba und Chaim Szmul Brenner (s. o.).
Samuel Brenner wohnte bei seinen Eltern, zuletzt Altmarkt (damals „Platz der SA“) 5.
Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder musste er Bottrop am 28.10.1928 verlassen, als die polnischen Juden ausgewiesen wurden. Er wurde in das Ghetto Litzmannstadt/ Lodz deportiert. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.


Horster Str. 22 (ein Stolperstein für Jakob Skurnik)

Jakob Skurnik
(Patenschaft für den Stolperstein: Dr. Manfred Lück)
Jakob Skurnik wurde am 16. Oktober 1881 in Kurnik, Kreis Schrimm/ Posen geboren.
Von Beruf war er Commis bzw. Kaufmann.
Jakob Skurnik hatte bereits um 1900 einige Zeit lang in Bottrop gelebt und zog dann 1914, aus Belgien kommend wieder nach Bottrop. Von 1915 bis 1919 war er Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg gewesen. Er wohnte in Bottrop zuletzt (seit 1931) Horster Str. 22.
Ab etwa 1925 war er Inhaber der Möbelhandlung Benno Heimberg, Horster Str. 20. Wie lange er das Geschäft führte, ist nicht bekannt. Im August 1937 wurde in der „Bottroper Volkszeitung“ ein Handelsregistereintrag veröffentlicht, demzufolge das Geschäft erloschen war. In der Pogromnacht des 9. November 1938 wurde Jakob Skurnik inhaftiert. Am 24. Januar 1942 wurde er mit den Bottroper Familien Krauthammer und Dortort von Bottrop aus deportiert. Wahrscheinlich sind sie nach Dortmund gebracht worden, wo ein Transport zusammengestellt wurde, der von dort aus am 25. Januar 1942 nach Riga ging. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Er ist verschollen.


Prosperstr. 3 (ein Stolperstein für Karl- Heinz Hellmut Schönlank)

Karl-Heinz Hellmut Schönlank
(Patenschaft für den Stolperstein: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kulturamtes der Stadt Bottrop)
Karl-Heinz Hellmut Schönlank wurde in Bottrop am 7. März 1917 geboren.
Seine Mutter war Agnes Königsfeld, Tochter des Theaterdirektors Heinrich Königsfeld, sein Vater der Schauspieler, Schriftsteller und Journalist Herbert Schönlank. Die Familie lebte auf dem Gelände des Theaters Königsfeld an der Prosperstraße.
Karl-Heinz Schönlank war musisch sehr begabt. Da sein Vater Jude war und seine Mutter katholisch, galt er nach der nationalsozialistischen Terminologie als „Halbjude“.
Karl-Heinz Schönlank ist mit seinen Eltern 1933 nach Holland (Amsterdam) geflohen.
Sein Vater wurde in der Nähe von Amsterdam in einem kleinen Kellerversteck vor den Nazis versteckt und überlebte so die Nazizeit, während seine Frau, wahrscheinlich mit ihrem Sohn Karl-Heinz, in Amsterdam blieb.
Karl-Heinz Schönlank hat in Amsterdam geheiratet (wen und wann ist nicht bekannt). Bald nach der Hochzeit sind beide deportiert worden. Seine Ehefrau ist vermutlich im KZ Mauthausen an Hungertyphus umgekommen.
Er wurde 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ist wohl dort ermordet worden. Er wurde für tot erklärt.


Bergstr. 14 (vier Stolpersteine für die Familie Elias)

David (Leibusch, Leo) Elias
(Patenschaft für den Stolperstein: Familie Bärbel Sosna, Friderike, Tilman und Andreas Klimek)
David, auch Leibusch bzw. Leo genannt, Elias wurde am 14. September 1899 in Czechow/ Galizien geboren.
Er war von Beruf Arbeiter, Reisender, später Kaufmann und lebte ab 1920 in Bottrop, zuletzt Bergstr. (damals „Franz-Große-Beck-Str.“) 14.
David Elias ist mit seiner Ehefrau Sara und seinen Kindern Dora und Wilhelm Max im Zuge der Abschiebung polnischer Juden am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen worden. Für einige Zeit kehrte er am 13.4.1939 – vermutlich um private Angelegenheiten zu regeln – noch einmal kurz nach Bottrop zurück. Am 10.5.1939 verließ er Bottrop mit dem Ziel Krakau.
Sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

Sara Elias geb. Bernkopf
(Patenschaft für den Stolperstein: Familie Bärbel Sosna, Friderike, Tilman und Andreas Klimek)
Sara Elias geb. Bernkopf wurde am 21. August 1902 in Myslewice, Bezirk Krakau/ Galizien geboren.
Sie war seit dem 24. April 1925 David Elias (s. o.) verheiratet.
Die Familie wurde am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen. Sara Elias ist, wie auch ihre Kinder Dora und Wilhelm Max, verschollen und wurde durch das Amtsgericht Bottrop für tot erklärt. Als Todesdatum wurde der 8.5.1945 festgelegt.

Dora Elias
(Patenschaft für den Stolperstein: Familie Bärbel Sosna, Friderike, Tilman und Andreas Klimek)
Dora Elias wurde am 19. Mai 1925 in Bottrop geboren.
Sie war die Tochter von David und Sara Elias (s. o.). Mit ihren Eltern und ihrem Bruder Willhelm Max wurde sie im Zuge der Abschiebung polnischer Juden am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen. Über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Sie ist verschollen und wurde durch das Amtsgericht Bottrop für tot erklärt. Als Todesdatum wurde der 8.5.1945 festgelegt.

Wilhelm Max Elias
(Patenschaft für den Stolperstein: Familie Bärbel Sosna, Friderike, Tilman und Andreas Klimek)
Wilhelm Max Elias wurde am 27. Oktober 1927 in Bottrop als Sohn von David und Sara Elias (s. o.) geboren. Er wurde mit seinen Eltern und seiner Schwester Dora im Zuge der Abschiebung polnischer Juden am 28.10.1938 nach Polen ausgewiesen.
Wilhelm Max Elias wurde in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Dort verliert sich seine Spur. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Er ist verschollen und wurde durch das Amtsgericht Bottrop für tot erklärt. Als Todesdatum wurde der 8.5.1945 festgelegt.


Stenkhoffstr. 119 (ein Stolperstein für Friedrica Vyth)

Friedrica (Ricka) Vyth
(Patenschaft für den Stolperstein: Familie Dagmar und Michael Gerber)
Friedrica Vyth, auch Ricka genannt, wurde am 13. März 1864 in Hasselt, Kreis Kleve geboren. Sie war Jüdin und lebte seit 1918 in Bottrop bei der Familie David, Hochstr. 49. Sie führte dort den Haushalt und betreute die drei Söhne ihrer jüngeren verwitweten Schwester Sophie David geb. Vyth. Sophie David betrieb im Nebenhaus ein Galanteriewarengeschäft.
Wie ein Sohn der Familie, Chanan (Hans) David, in seinem Buch schreibt, ist Friedrica Vyth, da ihr Gedächtnis sehr nachgelassen hatte, nach einigen Jahren, die eine sehr starke Belastung insbesondere für ihre Schwester Sophie gewesen waren, in ein Heim in Varel gekommen. Das war am 9. Oktober 1938. Im dortigen jüdischen Altenheim in der Schüttingstr. 13, das privat betrieben wurde, lebten zu dieser Zeit acht Personen. Sie alle wurden in der Pogromnacht des 9./ 10. November 1938 mit anderen jüdischen Bürgern von Angehörigen der Vareler SA um 5 Uhr morgens in das Polizeigefängnis Varel gebracht, dort bis 14 Uhr festgehalten und dann wieder in das Heim entlassen. Im Mai 1939 ist Friedrica Vyth wieder nach Bottrop zurückgekehrt und lebte einige Monate lang im städtischen Altenheim an der Stenkhoffstraße 119. Ihre Schwester Sophie David und ihre Kinder waren zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in Bottrop. Am 20. März 1940 ist Friedrica Vyth in die Provinzialheilanstalt Münster eingewiesen worden.
Sie war später in der Heil- und Pflegeanstalt Lippstadt-Eickelborn. Am 25. September 1940 ist sie von dort in die Heil- und Pflegeanstalt Gießen verlegt worden. Von dort ist sie am 1. Oktober 1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg a. d. Havel gekommen und ist dort am selben Tag ermordet worden.
Auf ihrer Geburtsurkunde ist der Eintrag „Gestorben am 4.3.1941 in Cholm (Standesamt Cholm II) Nr. 228/ 1941“ vermerkt. Jedoch wurden „diese gefälschten Sterbedaten von den Nationalsozialisten bewusst zur Irreführung der Angehörigen - und man kann hinzufügen auch vieler Historiker - eingesetzt“, wie Nikolai M. Zimmermann vom Bundesarchiv Berlin anführt, der auf den Artikel zum Thema „Euthanasie“ im Internet-Portal „Wikipedia“ verweist.


Im Stadtarchiv ist eine kostenlose Broschüre erhältlich mit einigen Angaben über die dann insgesamt 65 Opfer, für die in Bottrop „Stolpersteine“ gelegt wurden.