Noch einmal den Blick senken, Kräfte sammeln, Konzentration halten. Dann geht es noch mal ab an die Pratzen. Links, rechts, links, ducken, Abstand halten. Und das Ganze von vorne. Spätestens jetzt muss alles sitzen. Zwei Tage noch, dann ist der große Abend für Kevin Kotzian gekommen. Denn am Samstag bestreitet das Bottroper Box-Ausnahme-Talent seinen ersten Kampf als Profi-Boxer.
Es ist eine lockere, aber sehr konzentrierte Stimmung im Fitness Studio 2000 auf der Harkortstraße in Oberhausen Klosterhardt, einen Steinwurf von der Platzanlage des RSV entfernt. Hier wird geschuftet, gefeilt, hier werden Techniken ein- und der Gegner studiert. Hier bereitet Trainer Mike Kaul von Fight Residenz seinen Schützling auf den großen Tag vor. „Ich kann es kaum erwarten am Samstag endlich als Boxprofi in den Ring zu steigen“, sagt der 19-jährige Bottroper, bevor er sich zum Seilspringen fertig macht. Minutenlanges Aufwärmen steht auf dem Programm. „Wir riskieren nicht die geringste Verletzung so kurz vor dem Kampf“, sagt Coach Kaul, der seinen Schützling wie ein großer Bruder umsorgt. Dabei ist der Kampfsport und Boxtrainer mit seinen 26 Jahren selber noch ein junger Spund im Box-Zirkus, kann aber bereits auf 20 Jahre Erfahrung in den Bereichen Boxen, Kickboxen, Thai Boxen und Tae Kwon Do zurückgreifen. Erst vor drei Wochen zog der Chef von Fight Residenz ins Fitness Studio 2000 – und schon jetzt schickt er seinen ersten Profi ins Rennen.
„Natürlich trainiere ich Kevin schon deutlich länger“, lacht Kaul. Und auch sein Boxer Kevin Kotzian ist bestens gelaunt, wippt im Rhythmus der Musik aus den Boxen. Dann ist Schattenboxen angesagt, die Konzentration bei dem 1,93 Meter großen Hünen ist schlagartig wieder da. Er ist Vollblut-Profi, auch wenn am Samstag in der Dorstener Workers Hall sein erster Profikampf auf dem Programm steht. Kevin Kotzian, der in der Jugend seine Fußball-Schuhe für den SV 1911, den VfB Bottrop und Dostlukspor schnürte, ist alles andere als ein Anfänger. Als Kickboxer war der Ausnahme-Athlet zweifacher Europameister, nicht weniger will man nun natürlich im Boxen anstreben. Auch wenn es hart wird. Alleine schon die Vorbereitung hätte einen normalen Sportler aus der Bahn geworfen. „Ich habe jetzt innerhalb weniger Tage acht Kilo an Gewicht verlieren müssen, damit beim Wiegen nichts schief geht“, sagt Kotzian. Der Entschluss steht fest: nach dem Wochenende geht es ab ins Schwergewicht. Doch daran wird kein Gedanke verschwendet, jetzt stehen die sechs Runden gegen den erfahrenen Kontrahenten Tobi Voss auf dem Programm. Und wieder geht es an die Pratzen, links, rechts, links, ducken, Abstand halten. Noch zwei Tage, dann ist der Bottroper aus dem Eigen seinem großen Ziel den ersten entscheidenden Schritt näher gekommen: die Klitschkos.
