Bund soll Soziallasten der Kommunen besser finanzieren

"Das Führen einer strukturschwachen Stadt wird für jeden Oberbürgermeister und jedes Ratsmitglied immer schwieriger. Die dramatischen Finanzprobleme der meisten Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind trotz des Stärkungspaktes 'Stadtfinanzen' des Landes und der Bundeshilfe bei der Entlastung von Sozialausgaben nicht nachhaltig gelöst. Überall vor Ort wird seit Jahren eisern gespart. Viele Kommunen sind inzwischen ausgepresst wie eine Zitrone. Dringend notwendig und dauerhaft wirksam ist nur eine umfassende Neuordnung der Kommunalfinanzen in der kommenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages."

Diese Zustandsbeschreibung gibt die langjährige Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld, die gemeinsam mit ihrem Wuppertaler Amtskollegen Peter Jung als Sprecher des Aktionsbündnisses "Raus aus den Schulden / Für die Würde unserer Städte" fungiert. Dieses Bündnis strukturschwacher Kommunen aus dem Ruhrgebiet und dem Bergischen Land, denen sich auch Mönchengladbach angeschlossen hat, fordert seit Jahren im Verteilungskampf um Steuermittel von Land und Bund die im Grundgesetz verankerte ausreichende kommunale Finanzausstattung. Sie ist den deutschen Kommunen seit Jahrzehnten versprochen, jedoch nie umfassend realisiert worden.

Dazu erläutert Bottrops Stadtkämmerer Willi Loeven: "Sparen bleibt in Bottrop wie in allen anderen Kommunen unseres Aktionsbündnisses noch lange oberstes Gebot. Die Möglichkeiten einer Kommune haben aber ihre Grenzen. Weil 'Kaputtsparen' den Tod der kommunalen Selbstverwaltung bedeutet und damit unser gesamtes politisches System bedroht, erwarten wir weitere Unterstützung durch Bund und Land. Uns geht es um Hilfe zur Selbsthilfe." Der "Stärkungspakt Stadtfinanzen" sei ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen und für Bottrop ohne Alternative. "Der Stärkungspakt in Nordrhein-Westfalen kann helfen, aber er kann nicht die grundlegenden strukturellen Probleme der Kommunalfinanzen lösen, die noch immer drängen. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Neuregelung, die wir mit Nachdruck fordern", betont Loeven.

Dass nahezu alle nordrhein-westfälischen Kommunen in den vergangenen Jahren enorme eigene Sparanstrengungen realisiert haben, bestätigen jüngste Berechnungen der Gemeindeprüfungsanstalt GPA, vorgetragen beim Fachverband der Kämmerer in Nordrhein-Westfalen. Sie beziffern den kommunalen Konsolidierungsbeitrag allein in den vom Stärkungspakt Stadtfinanzen profitierenden Städten und Gemeinden auf fünf Milliarden Euro. Er setzt sich zusammen aus bereits vollzogenen und geplanten Effizienzsteigerungen bei der Personalwirtschaft - insbesondere hier Personalabbau -, steigender Gewinnabführung aus kommunalen Beteiligungen und höheren Grund- und Gewerbesteuern. Dabei verdeckt der Blick auf die reinen Zahlen zum Personalabbau noch, dass die Kommunen im gleichen Zeitraum durch Bundes- und Leistungsgesetze gezwungen wurden, zusätzlich Personal einzustellen - so beim Ausbau der Kindertagesstätten, der U3-Betreuung oder der Verschärfung der Brandschutzrichtlinien.

Angesichts von Steuereinnahmen auf Rekordhöhe bei Bund und Ländern hält das Aktionsbündnis vor allem für die strukturschwachen Kommunen einen stärkeren Beitrag von Berlin und Düsseldorf zur Finanzierung der trotz guter Konjunktur immer weiter steigenden Soziallasten für dringend geboten. Die finanziellen Landeshilfen durch den "Stärkungspakt Stadtfinanzen", die vielen Städten einen Zeitgewinn zur Haushaltssanierung ermöglicht, und die Übernahme der Kosten für Grundsicherung durch den Bund entlasteten die Haushalte nicht ausreichend: Die vollständige Übernahme der Grundsicherung im Alter habe die kommunalen Sozialetats in Nordrhein-Westfalen zwar um rund sieben Prozent entlastet. Mehr als 93 Prozent der Sozial- und Jugendhilfekosten seien aber weiterhin zu finanzieren. Damit vergrößert sich die Schere zwischen reichen und armen Kommunen zusehends.

Hoffnung bei Reform der Eingliederungshilfe

Bottrop und die anderen Städte des Aktionsbündnisses unterstützen das angekündigte Reformvorhaben des Bundes und der Länder in der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages für ein neues Bundesleistungsgesetz. Werde dies wie angekündigt umgesetzt, sei es ein positives Signal und ein Beispiel für andere Sozialausgaben. Damit wird einerseits die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen an die veränderten Bedingungen angepasst und darüber hinaus kann die den Kommunen bereits zugesagte finanzielle Entlastung zügig realisiert wird.

Allein zur Finanzierung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen müssen die zum Aktionsbündnis zählenden Städte und Kreise mittlerweile pro Jahr mehr als 1,1 Milliarden Euro aufbringen. Die Finanzhilfen des Bundes in diesem Bereich bedeuten eine Reduzierung der von den Kommunen aufzubringenden Umlagen an die Landschaftsverbände. Für Bottrop beträgt die Umlage an den Landschaftsverband in diesem Jahr mehr als 24 Mio. Euro. Weil auch dieses Geld nicht zur Verfügung steht, muss diese Summe - wie bei sämtlichen Mitgliedern des Aktionsbündnisses ebenfalls – größtenteils mit Kassenkredit, also auf Pump, finanziert werden. "Sozialausgaben auf Pump, das ist ein haltloser Zustand. Er steht völlig im Widerspruch zu den aktuellen Meldungen über die so üppig fließenden Steuergelder an Bund und Länder", meint Willi Loeven.