Arme Städte hoffen auf "faire und gerechte" Landtagsentscheidung

Die Oberbürgermeister und Kämmerer der strukturschwachen Kommunen vorwiegend des Ruhrgebietes und des Bergischen Landes appellieren im Vorfeld der anstehenden zweiten Lesung des Landtages zur Weiterentwicklung des "Stärkungspaktes Stadtfinanzen" an Landesregierung und Fraktionen, die in den letzten Wochen aufgeheizte politische Debatte um die Solidaritätsumlage von reichen Kommunen sachlich, gerecht und fair zu führen. Die Sprecherin des parteiübergreifenden Aktionsbündnisses "Raus aus den Schulden/Für die Würde unserer Städte", Mülheims Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld erläutert: "Die Diskussion um den kommunalen Solidaritätsbeitrag hat teilweise sehr populistische Züge angenommen. Wer zum Beispiel behauptet, die notleidenden Städte und Gemeinden seien an ihrem Elend vorwiegend selber schuld, denn sie hätten schlechter gewirtschaftet als die reichen, verschweigt die wahren Ursachen unserer dramatischen Finanznot. So etwas treibt einen Keil in die kommunale Familie. In allererster Linie ist das Land gefordert. Es muss zu seiner gesetzlichen Verpflichtung stehen, allen Kommunen eine angemessene Finanzausstattung ohne Wenn und Aber bereitzustellen!"

Ebenso Klartext reden die Stadtkämmerer Manfred Busch (Bochum), Johannes Slawig (Wuppertal) und Ralf Weeke (Solingen) stellvertretend für alle Finanzchefs der 20 Mitgliedsstädte des Bündnisses: "Die Hauptursache für die immer größer werdende Kluft zwischen reichen und armen Kommunen sind strukturell völlig unterschiedliche Ausgangspunkte. Das ist wie in der Landwirtschaft zwischen Bauern in der Ebene, die fette und fruchtbare Böden beackern, und anderen, die mit großer Mühe an steilen Hängen steinige und wenig ertragreiche Flächen bearbeiten."

Die Verantwortlichen des Aktionsbündnisses verweisen auf die bundesweit renommierten Finanzwissenschaftler Prof. Martin Junkernheinrich (Kaiserslautern) und Prof. Thomas Lenk (Leipzig), die im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung Wege zur Rettung der Kommunen aufgezeigt hatten. Sie haben als Hauptgründe der so unterschiedlichen kommunalen Finanzprobleme bei den Nothaushaltskommunen den dort seit Jahrzehnten andauernden massiven Strukturwandel mit dramatischem Verlust an Arbeitsplätzen, drastisch zurückgehenden Einnahmen trotz immer wieder erhöhter Gewerbesteuer, seit 1970 vielerorts um das Vierfache gestiegene Sozialaufwendungen und immer neue Gesetze von Bund und Land zu Lasten der Kommunen ohne ausreichende Gegenfinanzierung ausgemacht. Ihr gemeinsames Gutachten sah als vierte Säule des Stärkungspaktes - neben Landeshilfen, Übernahme von Kosten für Soziallasten aus Bundesmitteln und sehr harten, weiteren eigenen kommunalen Sparmaßnahmen - ausdrücklich die Abundanzumlage als Solidaritätsbeitrag vor. Damit sollte - so das Land - eine kommunale Gerechtigkeitslücke geschlossen werden.

Die betroffenen Kämmerer sind sich einig: "Zur Wahrheit gehört auch, dass das Land zur Finanzierung der zweiten Stufe des Stärkungspaktes das Geld überwiegend von den Kommunen selbst abzweigt. Den 91 Mio. € der Solidarumlage stehen immerhin 115 Mio. € gegenüber, die durch Vorwegabzug bei den Schlüsselzuweisungen von den schwächeren Städten aufgebracht werden. Das führt dazu, dass bereits arme Städte, die vor der Überschuldung stehen, zusätzlich Kredite zur Unterstützung von noch ärmeren aufbringen müssen. Damit geht das gesamte Landeskonzept auf Krücken", sagt Sprecher Uwe Bonan (Mülheim).

Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler und Stadtkämmerer Willi Loeven unterstützen den Appell: "Wir haben den Bottropern schmerzhafte Einschnitte zumuten müssen. Jetzt sind zuallererst Bund und Land gefragt. Sonst wird aus den Unterschieden zwischen dem Leben in reichen und armen Städten enormer politischer Sprengstoff."